Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis für die Forschung zu UAP / UFOs

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Text der Forschungsgrundsätze in der Version vom 5.5.2023

Präambel

»Ein UFO ist die mitgeteilte Wahrnehmung eines Objekts oder Lichts am Himmel oder am Boden, dessen Erscheinung, Bewegungsbahn sowie allgemeines dynamisches und Leuchtverhalten keine logische, konventionelle Erklärung nahelegen und das nicht nur für die ursprünglich Beteiligten rätselhaft ist [UFO im weiteren Sinne], sondern nach genauer Prüfung aller vorhandenen Aussagen und Belege durch Personen, die dazu in der Lage sind, eine vernünftige Identifikation vorzunehmen, falls eine solche möglich ist, unidentifiziert bleibt [UFO im engeren Sinne] [6]

 Die Existenz von UAP / UFOs wie oben definiert – inklusive aller aus diesen Erfahrungen resultierenden persönlichen, sozialen und naturwissenschaftlichen Konsequenzen – ist mit wissenschaftlichen Mitteln erforschbar. Diese Forschungen können als ein Teilgebiet der Anomalistik betrachtet werden, da sie für dieses Feld wesentliche charakteristische Merkmale aufweisen [12]. Sie sind hochgradig interdisziplinärer Natur und es betätigen sich interessierte Personen in Einzel- und Gemeinschaftsarbeiten sowie in eingetragenen Vereinen an der Erkenntnisgewinnung (Bürgerwissenschaft / Citizen Science). Die Abkürzung UFO steht dabei für »unidentifiziertes fliegendes Objekt« ohne weiteren Bedeutungsüberschuss in Bezug auf Herkunft oder Form eines solchen Objekts. Aufgrund missverständlicher Aspekte der Definition des UFO-Begriffs [8] wird synonym der Terminus UAP (unidentified aerial / atmospheric / anomalous phenomenon, unidentifiziertes / anomales Luftraum- / Atmosphären-Phänomen) verwendet. Beide Begriffe werden hier ausschließlich phänomenologisch im Sinne deskriptiver Wissenschaft verwendet. 

 Das Ziel der vorliegenden Grundsätze ist es, unter diesen in Form von Citizen Science arbeitenden Forschern sowohl ein forschungsethisches Leitbild als auch konkrete Richtlinien für ein verantwortliches Verhalten bei der Untersuchung aller Aspekte von UAP / UFOs zu etablieren. Die Grundsätze lehnen sich dabei in Anerkennung der generellen wissenschaftlichen Arbeitsmethodik an bestehende Professionsnormen für die Tätigkeit als Wissenschaftler an [3, 9], beziehen aber auch bestehende Verhaltenskodizes für die Analyse der UAP- und verwandter Spontanphänomene mit ein [1, 2, 10].

Von Zeit zu Zeit werden die Grundsätze geprüft und, wo nötig, überarbeitet. Forschende, die Verbesserungen oder Erweiterungen vorschlagen möchten, sind aufgerufen, sich an einen der Vorstände der Organisationen zu wenden, die die Grundsätze anerkennen.

Eine vollständige Abdeckung aller ethisch und inhaltlich angemessenen Vorgehensweisen in allen denkbaren Forschungssituationen kann in einem Dokument mit grundlegenden Richtlinien nicht erreicht werden. Wo zutreffend, sind die weiteren Regelungen aus wissenschaftlichen Fachgebieten, anomalistischen Forschungsfeldern und gesetzlichen Vorgaben zu beachten oder detaillierte und standardisierte Arbeitsmethoden für die Erforschung von UAP / UFOs anzuwenden oder zu erarbeiten.

§1 Allgemeine Forschungspraxis

(1) UAP / UFOs mit wissenschaftlichen Mitteln zu erforschen, bedeutet, methodisch nachprüfbar nach intersubjektiv gültigen Erkenntnissen zu suchen. Solche Bemühungen müssen ihrer Struktur nach stets der Wahrheit, der Redlichkeit und der Fairness verpflichtet sein: Man will Erkenntnisse finden, nicht erfinden. Dieses Ziel soll in fairer Partnerschaft mit anderen Forschenden erreicht werden. 

(2) Die Forschungsarbeiten zu UAP / UFOs geschehen lege artis: Die hier erläuterten Grundregeln für die Gewinnung und Auswahl von Daten sind genau zu beachten. Wo immer solche Regeln noch nicht etabliert wurden, sollten Forschende (in Anbetracht ihrer Tätigkeit als Citizen Science) gemeinsam und in Rückbindung an relevante Bezugswissenschaften Grundprinzipien erarbeiten und das vorliegende Dokument erweitern. 

(3) Die Erforschung von UAP / UFOs geschieht in Form wissenschaftlich-kritischer Arbeit: Offenheit für unterschiedliche Sichtweisen sowie die Bereitschaft, die eigenen Ergebnisse zu hinterfragen, mit anderen selbstkritisch zu diskutieren und unliebsame Erkenntnisse zu akzeptieren, gehören zur Grundvoraussetzung aller Forscher. Stillschweigende axiomatische Annahmen sollten sich als solche bewusst gemacht werden und jedes Wunschdenken muss für eine sachliche Untersuchung kontrolliert werden. 

(4) Viele Forschungsfragen zu UAP / UFOs bedürfen hochgradig interdisziplinärer Bemühungen, um sie zu lösen. Der Forschungsgegenstand ist als Spontanphänomen methodisch nur beschränkt erfassbar. In Folge dieser Hürden ist eine systematische Aufmerksamkeit für mögliche Fehldeutungen unter allen Beteiligten notwendig. Dies gilt insbesondere für den Prozess der Hypothesenbildung für Einzelfallanalysen. Die Beurteilung eines Einzelfalles als ungeklärt verbleibendes Ereignis (UFO / UAP i. e. S.) darf nur nach umfangreicher und methodisch strenger Untersuchung erfolgen; ebenso wenig darf die Zuordnung einer bekannten Erscheinung als Ursache zu einem Einzelfall leichtfertig geschehen, sondern muss auf nachvollziehbaren und überprüfbaren Schlussfolgerungen beruhen.

§2 Kollegialität und Kooperation

(1) Die nach wissenschaftlichen Kriterien ausgerichtete Suche nach Erkenntnissen zu UAP / UFOs eint Forschende. Sie bewirkt, dass einander zunächst fremde Personen eine Gemeinsamkeit aufweisen und durch diese zu Kollegen werden. Die Interdisziplinarität und der Laienstatus der Forschungen bewirken außerdem, dass einzelne Aktive nur in einem begrenzten Gebiet selbstständig urteilsfähig und kompetent sind. Sie bleiben auf die Vor- und Zuarbeit anderer Forschender angewiesen oder müssen solche selbst für andere leisten. Alle Forschenden müssen in derartige Zuarbeiten ihrer Kollegschaft Vertrauen setzen können. Daher ist es unabdingbar, dass die Erforschung von UAP / UFOs in Arbeits- und Organisationsformen geschieht, die eine umfangreiche Kommunikation und Kooperation der sich Betätigenden in vollem Umfang gestatten und unterstützen.

(2) Da die eigene Arbeit von Forschenden einen Baustein für den Erkenntnisgewinn über UAP / UFOs bildet, der sich durch Nachvollziehbarkeit und Beurteilbarkeit für jeden Interessierten auszeichnen und die Anwendung der Methodik oder der Ergebnisse in der weiteren Forschung ermöglichen soll, ist die vollständige Transparenz des Vorgehens, der verwendeten Mittel und der erlangten Ergebnisse in allen Bereichen anzustreben. Details, die im Widerspruch zum Schutze eines Erfahrungsmeldenden nach § 6 Abs. 5 stehen, sind hiervon auszunehmen.

(3) Forschungen zu UAP / UFOs müssen sich durch eine absolute Offenheit für Kritik und Zweifel von Kollegschaft und Mitarbeitenden aber auch Vertretungen gegensätzlicher Positionen auszeichnen. Diese sind ernst zu nehmen und auf strikt sachlicher Basis zu behandeln. Gegebenenfalls sind die eigenen Forschungsergebnisse anzupassen oder aufzugeben. 

(4) Die wissenschaftliche Arbeit von Anderen ist in keiner Weise zu behindern. Daher sind absichtliches Verzögern von sachbezogener Kommunikation oder Reviews, Weitergeben von als vertraulich übermittelten wissenschaftlichen Daten oder Ergebnissen, irreführende Kommunikation oder Präsentation von fall- oder ergebnisbezogenen Teilinformationen oder bewusstes Veröffentlichen von Unwahrheiten jeglicher Art zu vermeiden bzw. als kontraproduktive Aktionen zu ächten. Stattdessen ist eine sorgfältige, uneigennützige und unvoreingenommene Begutachtung fremder Arbeit wichtig und Grundlage jeder Kooperation. Befangenheit von Forschenden muss zum Verzicht auf eine solche Begutachtung bzw. auf die Kommentierung der fremden Arbeit führen. 

(5) Allen interessierten und im Sinne der vorliegenden Grundsätze verantwortlich handelnden Forschenden sind relevante und nichtvertrauliche Informationen über die eigene Arbeit zu gewähren, auch für die Ausarbeitung einer Publikation. Für solche weitergegebenen Informationen ist die Herkunft in der Veröffentlichung klar anzugeben. 

(6) Personen, deren fachliche Qualifikation oder sachbezogener Kenntnisstand gegenüber dem eigenen als niedriger eingeschätzt wird, sollten sachlich und kollegial gefördert und unterstützt werden. Dies kann durch Hinweise auf bestehende und publizierte Erkenntnisse geschehen, durch die Organisation von Fachtagungen und Seminaren oder durch ein Angebot als Gesprächspartner. 

§3 Diskussionskultur

(1) Eine wichtige Komponente der gemeinschaftlichen Erforschung von UAP / UFOs ist die offene Kommunikation über Daten, Ergebnisse und methodische Fragen. Kommentare, Ideen, Rückfragen oder Gegenargumente zu eigenen Arbeiten zu erhalten, prägt und verbessert jede öffentliche Äußerung, indem sie noch vor ihrem Eintreten fachlich stärker abgesichert wird. Notwendig ist eine offene, tolerante Diskussionskultur, die es jedem Beteiligten gestattet, seine Ideen und Argumente einzubringen. 

(2) Beim wissenschaftlichen Ringen um Verständnis sind für Tatsachenreihen, aber auch für Interpretationen subjektiver Erfahrungen zunächst verschiedenartige Theorien möglich und sinnvoll, die dann sorgfältig abgewogen werden müssen. Die Grundlage jeder vernunftbasierten Diskussion ist die Anerkennung der von anderen geleisteten konstruktiven Forschungsarbeiten, unabhängig davon, ob sie zu den eigenen Methoden und Ergebnissen unterstützend oder konträr zu laufen scheinen. 

(3) Die Forschungen zu UAP / UFOs sind durch eine starke Polarisierung der Standpunkte geprägt und im Unterschied zu etablierten Wissenschaften derzeit nahezu keine institutionelle oder berufliche Arbeit. Aus diesen Gründen ist es aus forschungsethischer und forschungspraktischer Sicht gleichermaßen wichtig, das persönliche Vorverständnis der Forschenden von ihrer Arbeit selbst zu unterscheiden. Niemand sollte allein auf Grund einer »skeptischen« oder »befürwortenden« Position Ignoranz oder Verachtung erfahren müssen. Gegenstand der Kritik sollte stattdessen stets die konkrete Vorgehensweise und Argumentation in der Forschungspraxis sein. 

(4) Aus allen Diskussionen zu Untersuchungen von UAP / UFOs ausgeschlossen werden sollten beleidigende, rechthaberische, bedrohende oder anderweitig unsachliche Kommentare, entsprechende Reaktionen auf fachliche Kritik oder persönliche Angriffe auf den Ruf von Forschenden. Auf derartige Inhalte sollte nicht eingegangen werden, um nicht mit entsprechenden Antworten einer Kultur der Argumentation ad hominem Vorschub zu leisten. Stattdessen sollte in solchen Fällen ruhig um die nötige Sachlichkeit gebeten werden und die Diskussion wieder auf Sachfragen zurückkommen. 

§4 Sicherung und Aufbewahrung von Daten

(1) Die Erforschung von UAP / UFOs ist auf die Erlangung von Rohdaten durch Befragung, Messung, Beobachtung oder andere direkte und indirekte Verfahren angewiesen, wobei Erfahrungsmeldende als Quelle meist die wichtigste Rolle spielen. Wissenschaftliche Untersuchungen, Berechnungen und Experimente können nur reproduziert bzw. rekonstruiert werden, wenn alle wichtigen Schritte der Datenerhebung nachvollziehbar sind. Daher ist eine hinreichend vollständige Protokollierung aller angewendeten Methoden und der erlangten Resultate und die langfristige Aufbewahrung der Protokolle notwendig, schon um auf die Aufzeichnungen zurückgreifen zu können, wenn veröffentlichte Resultate von anderen angezweifelt werden. 

(2) Jede Einzelfalluntersuchung zu UAP / UFOs ist in einer anzulegenden Akte mit eindeutiger Kennung zu dokumentieren. Die Akte soll den Namen des Melders, Datum der Meldung, Datum, Uhrzeit und Ort der gemeldeten Erfahrung, mögliche Zeugen, Fallklassifikationen, die Namen der Untersuchenden, deren Beurteilungen sowie alle weiteren Dokumente, welche die Untersuchung des Falles betreffen (Kommunikationen zwischen Untersuchenden und Meldenden, Sekundärdatenerhebungen, Diskussionen während der Ermittlungen etc.) enthalten. 

(3) Durch Befragungen gewonnene Aussagen sind, soweit praktikabel und nach Zustimmung des Befragten, durch Video- oder Audiomitschnitte zu speichern. Widersprechen Befragte diesem Vorgehen, sollte eine möglichst detaillierte Mitschrift angefertigt werden. Die Namen der Anwesenden sind zu dokumentieren. 

(4) Persönliche Thesen über einen Einzelfall oder UAP / UFOs insgesamt, etwa im Rahmen von Fallbeurteilungen, sind als solche zu kennzeichnen und sowohl in der Falldokumentation als auch in Veröffentlichungen strikt von erhobenen Daten zu trennen.

(5) Betrug in der wissenschaftlichen Forschung umfasst bewusste Erfindungen oder Verfälschungen von Fakten, Forschungsdaten oder Untersuchungsumständen. Er beinhaltet außerdem das bewusste Verschweigen von Informationen, die Gültigkeit oder Verlässlichkeit der Daten oder Schlussfolgerungen einer Untersuchung fraglich erscheinen lassen, sowie weitere ähnliche Fehlverhalten. Wer auf falsche Angaben oder Vertuschungen einschränkender Fakten in der Forscherkollegschaft stößt, sollte umfangreiche Anstrengungen zu ihrer Beseitigung unternehmen, von der persönlichen Aussprache mit Verantwortlichen bis hin zum Kontakt zum Vorstand der Organisation, in der diese Verantwortlichen tätig sind. 

§5 Publikation von Ergebnissen

(1) Die Erforschung von UAP / UFOs sollte im Sinne des größtmöglichen Erkenntnisgewinns und Nutzens für die Gesellschaft erfolgen. Die Publikation fachlicher Arbeiten ist daher ein besonders wichtiger Bereich verantwortlichen wissenschaftlichen Handelns. Mit einer Veröffentlichung geben Autoren Ergebnisse bekannt, für deren fachliche und wissenschaftliche Zuverlässigkeit sie Verantwortung übernehmen. Die Publikationen bestimmen die Wahrnehmung von Forschenden sowohl durch die Kollegschaft als auch durch die interessierte Allgemeinheit. 

(2) Veröffentlichungen, die über neue wissenschaftliche Ergebnisse berichten sollen, müssen daher die Ergebnisse und die angewendeten Methoden vollständig und nachvollziehbar beschreiben. Das betrifft insbesondere den konsequenten Umgang mit allem Quellenmaterial, dessen Verwendung zu kennzeichnen und das in der Veröffentlichung nachvollziehbar anzugeben ist, da nur durch diese Praxis eine angemessene Überprüfung durch Dritte ermöglicht werden kann. 

(3) Bei der Anerkennung und der angemessenen Berücksichtigung bzw. des Nachweises der Beiträge von Vorangegangenen, Konkurrenz und Mitarbeitenden ist strikte Redlichkeit anzustreben. Alle Befunde, welche vorgelegte Ergebnisse stützen bzw. sie in Frage stellen, sollten in Konformität mit diesem Prinzip mitgeteilt werden. 

(4) Im Bemühen um eine fehlertolerante Forschungskultur sind auch falsifizierte Hypothesen in angemessener Weise zu veröffentlichen und Irrtümer einzuräumen. 

(5) Sind an einer Forschungsarbeit bzw. an der darauf aufbauenden Publikation mehrere Urheber beteiligt, so sollte in der Mitautorschaft genannt werden, wer zur Konzeption der Studien oder Experimente, zur Erarbeitung, Analyse und Interpretation der Daten und zur Formulierung des Manuskripts selbst wesentlich beigetragen und seiner Veröffentlichung zugestimmt hat. Die Autorschaft trägt die Verantwortung für den Inhalt einer Publikation stets gemeinsam.

§6 Umgang mit Erfahrungsmeldern

(1) Ein wesentlicher Bestandteil der Erforschung von UAP / UFOs als in weiten Teilen spontan auftretende Erscheinungen ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit und Beurteilung von Individuen, die den Untersuchern als Meldende gegenübertreten. Diese sowie etwaige in Vertretung Kontakt aufnehmende Personen sind in besonderer Form schutzwürdig. Sie melden freiwillig eine ungewöhnliche, gesellschaftlich kontrovers besetzte und sich ihrer rationalen Einschätzung entziehende Erfahrung und kooperieren in der Untersuchung dieser Erfahrung. 

(2) Die Intensität der Bemühungen, den persönlichen Schutz der Meldenden zu wahren, muss sich nach deren Involvierung in die Ermittlungen richten: Je umfassender die persönliche Beteiligung der Meldenden, desto besser sind diese vor jeglichem daraus resultierenden Schaden zu bewahren. 

(3) Ziel des Meldendenschutzes ist zunächst die persönliche Integrität und psychische sowie körperliche Gesundheit. Keine Forschungsmethode darf so ausgerichtet sein, dass diese schutzwürdigen persönlichen Eigenschaften von Erfahrungsmeldenden niedrig priorisiert oder vorsätzlich beeinträchtigt werden. 

(4) In besonderer Weise schutzwürdig sind außerdem alle eingebrachten personenbezogenen Daten, sei es im Rahmen von Einzelfalluntersuchungen, Forschungsprojekten oder Studien. Unabhängig davon, ob solche Forschungstätigkeiten im Rahmen eines Vereins, einer sonstigen Organisation oder als Einzelforscher durchgeführt werden, gelten hierzu die einschlägigen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO) für nichtöffentliche Stellen zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, die auf dem informationellen Selbstbestimmungsrecht fußen. Die Grundsätze der Datenvermeidung und Datensparsamkeit, also die Erhebung nur der für den jeweiligen Zweck erforderlichen persönlichen Angaben, stehen dabei im Mittelpunkt. Daraus ergeben sich sowohl Pflichten (für Forschende als auch Rechte (für Meldende), die unbedingt zu beachten sind. Im Wesentlichen sind dies für Forschende die Information der Meldenden bei der Erhebung der Daten über Freiwilligkeit, Umfang, Zweck und Dauer sowie Speicherung und Nutzung (Weitergabe) der Angaben. Ferner sind Meldende auf ihre Rechte hinzuweisen: Auf das jederzeitige Auskunftsrecht, ob und welche Daten gespeichert sind, sowie auf die Möglichkeit der Berichtigung, Löschung und Sperrung ihrer Daten. 

(5) Die Entscheidung über die Beteiligung an einer Einzelfalluntersuchung obliegt Meldenden eines solchen Falles selbst und kann von diesen jederzeit ohne Nachteile widerrufen werden. Um die freiwillige Entscheidung auf eine fundierte sachbezogene Basis zu stellen, ist bei näheren Untersuchungen (beginnend mit der standardisierten Befragung über Sichtungsfragebögen) eine informierte Einwilligung durch standardisierte Information der Meldende über Arbeitsweise, Ziele, konkrete Schritte und Art der zu erhebenden Daten bei der Falluntersuchung zu realisieren.

(6) Alle direkten Befragungen des Meldenden sollten vorher terminlich vereinbart sein. In jedem Falle zu respektieren sind ein Ablehnen solcher Termine oder Befragungen durch Meldende, der Wunsch nach Teilnahme dritter Personen an Befragungen oder die Befragung durch Falluntersuchende anderer Forschungsgruppen. 

(7) Alle persönlichen Befragungen von Meldenden sollten möglichst durch zwei Falluntersuchende durchgeführt werden. Mindestens eine Person der Falluntersuchenden und Meldenden sollten das gleiche Geschlecht besitzen. Bei der Befragung minderjähriger Meldender sollten die Erziehungsberechtigten teilnehmen. 

(8) Jede Befragung setzt Meldende dem Einfluss der Überzeugungen von Forschenden aus, der freie Erinnerungen behindern und Aussagen beeinflussen kann. In diesem Bewusstsein sollte die höchste Priorität von befragenden Forschenden die Möglichkeit der Meldenden sein, ihre Erfahrung ohne Intervention frei wiederzugeben. Persönliche Thesen und Spekulationen über den Fall, über UAP / UFOs oder andere Themen sind während der Befragung vom Untersuchenden nicht zu äußern. Werden solche Details zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert, so sind sie Meldenden gegenüber als unbewiesene Aussagen zu kennzeichnen. 

(9) Mit Meldenden ist während der Fallermittlung stets für sie verständlich zu kommunizieren. Eine stark förmliche oder mit Fachbegriffen durchsetzte Ausdrucksweise ist zu vermeiden. Spezielle Befragungstechniken (z. B. Fragebögen, psychologische Tests) oder Untersuchungsgeräte, welche Meldenden unbekannt sind, müssen erläutert und dürfen nur mit deren Zustimmung angewendet werden. Für die Anwendung müssen durchführende Falluntersuchende fachlich qualifiziert sein. 

(10) Die Durchführung oder Beauftragung von Polygraphentests (sog. »Lügendetektoren«) zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen von Meldenden erbringt keine zuverlässigen Ergebnisse über deren Wahrheitsgehalt  [7]. In deutschen Strafprozessen sind Polygraphentests als Beweismittel unzulässig. Meldende, die ein solches Testverfahren wünschen, sind auf diese Probleme hinzuweisen. Ergebnisse von Polygraphentests dürfen in Falldokumentationen oder -publikationen nicht als alleiniger Beleg für die Glaubwürdigkeit von Meldenden oder die Glaubhaftigkeit von deren Aussagen dienen. 

(11) Regressionshypnotische Techniken sind von jeder Fallermittlung auszuschließen. Der Wunsch von Meldenden nach derartigen Methoden ist abzulehnen. Dabei ist auf die Problematik der Entstehung von Pseudoerinnerungen und auf mögliche negative Effekte wie Beeinflussung des Gedächtnisses hinzuweisen [4, 11]. Bleiben Meldende bei ihrem Wunsch, sollten sie auf medizinisch geschultes Personal verwiesen, die Fallermittlung vor der Durchführung einer Regressionshypnose jedoch abgebrochen oder sachgerecht abgeschlossen werden. 

(12) Bei Anzeichen von Traumatisierung oder Stress bei Meldenden sollten diese unverzüglich auf Möglichkeiten der Unterstützung durch psychologisch oder ärztlich Tätige oder andere qualifizierte Beratende hingewiesen werden. Den Umgang mit Meldenden, deren Bericht zur Kategorie der so genannten Entführungserfahrungen gehört, sollte für psychologisch qualifizierte Untersuchende in separaten Verhaltensrichtlinien geregelt sein [5].

(13) Durch Untersuchungen von Forschenden darf ohne Zustimmung der Eigentümer, Besitzenden oder Bevollmächtigten kein Privateigentum beschädigt werden. Verursachte Schäden sind unaufgefordert zu ersetzen. 

(14) Für den Fall einer datenschutzrechtlich relevanten Publikation eines einzelnen Erfahrungsfalls mit UAP / UFOs ist die Zustimmung der Beteiligten einzuholen. In jedem Falle ist die Anonymität der Meldenden Grundlage für jegliche Veröffentlichung, es sei denn, diese stimmen ausdrücklich der Angabe persönlicher, identifizierender Daten zu. Alle Meldenden sind in diesem Falle über die potenziellen Konsequenzen der Veröffentlichung zu informieren. Deren Entscheidung für oder gegen eine Veröffentlichung ist als bindend zu betrachten.

(15) Wendet sich eine Person an eine Untersuchergruppe, um eine UAP- / UFO-Erfahrung zu melden, ist sie in den meisten Fällen an einer Erklärung der Ursachen für diese Erfahrung interessiert. Meldende sind daher von den Ergebnissen der Untersuchung zu informieren. Darüber hinaus haben sie das Recht, Einsicht in unter ihrer Person geführte Fallakten zu nehmen. 

(16) Aussagen von Meldenden und Einreichen von Materialien wie Fotos und Videos zur Untersuchung können mit Täuschungsabsicht erfolgen. Forschende sollten sich dieser Möglichkeit bewusst und mit entsprechenden Täuschungsvarianten vertraut sein, ohne im Sinne eines Generalverdachts zu handeln. Bei klaren Hinweisen auf eine Täuschung sind Meldende mit dem Urteil der Forschenden zu konfrontieren. Deren Stellungnahme ist zu erbitten und in die Analyse einzubeziehen, bevor eine Veröffentlichung des Untersuchungsergebnisses erfolgt.

§7 Verhalten gegenüber der Öffentlichkeit

(1) Die Gesellschaft möchte die Erforschung von UAP / UFOs und ihre Folgen begreifen. Je komplexer wissenschaftliche Forschung wird, umso größerer Anstrengungen bedarf es jedoch, um ihre Ziele, Wege und Ergebnisse der Allgemeinheit verständlich darzulegen. Überdies repräsentieren Forschende mit jeder öffentlichen Äußerung sowohl ihre eigene Untersuchergruppe als auch die Forschungen zu UAP / UFOs generell. Wünschenswert ist daher eine professionelle Bereitschaft, die Öffentlichkeit unter Mitwirkung der Medien in rein sachlicher Form über den wissenschaftlichen Charakter der Forschungsarbeit und ihre einzelnen Aspekte zu informieren. 

(2) Die Verantwortung, die Öffentlichkeit sachgerecht zu informieren, kann den Besonderheiten der Darstellungen in Massenmedien widersprechen. Forschende sollten sich dessen bewusst sein und unbestätigte Aussagen, unbewiesene Behauptungen, subjektive Spekulationen oder vertrauliche Informationen nicht nach außen tragen. Insbesondere unzulässig sind Äußerungen im Namen eines Vereins oder Forschenden ohne deren Zustimmung oder Zustimmung des Vorstands sowie Darstellungen von unveröffentlichtem Material anderer ohne deren Einverständnis. Eine öffentliche Anfechtung der Glaubhaftigkeit von Meldenden oder anderen Forschenden ist nur unter eindeutiger Beweislage und bei klarer Relevanz für die Öffentlichkeit vorzunehmen. 

(3) Forschende sollten mit staatlichen Behörden kooperieren, insbesondere unter Umständen, welche die gesellschaftliche Sicherheit oder das Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit von Personen beeinflussen könnten. Während einer Fallermittlung entstehende Bedrohungen für die Öffentlichkeit oder potenzielle Sachschäden sind unverzüglich der Polizei oder anderen Verantwortlichen zu melden und alle möglichen Maßnahmen zum Schutz von Gesellschaft und Eigentum durchzuführen. 

(4) Die Teilnahme an der Forschung zu UAP / UFOs und an Einzelfallermittlungen begründet kein spezifisches Privileg. Forschende können etwa vor Gericht zur Herausgabe vertraulicher Informationen gezwungen sein. In derartigen Fällen können einzelne hier festgelegte Richtlinien zwischenzeitlich außer Kraft geraten.

Autorenschaft 

Die Forschungsgrundsätze entstanden unter Mitarbeit von Danny Ammon, Jutta Behne, Martin Bielski, Natale Guido Cincinnati, Christian Czech, T.A. Günter, Peter Hattwig, Ingbert Jüdt, Marius Kettmann, André Kramer, Hans-Werner Peiniger und Jonas Richter. 

Quellen

[1] Baker, Ian S.; O’Keeffe, Ciarán: Ethical Guidelines for the Investigation of Haunting Experiences. In: Journal of the Society for Psychical Research 71 (2007), Nr. 889, S. 216–229

[2] British UFO Research Association (Hrsg.): Code of Practice for UFO Investigators. 1999.

[3] Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.): Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis: Kodex. Juli 2019.

[4] Fiedler, Peter: Dissoziative Störungen und Konversion. Trauma und Traumabehandlung. 3., vollst. überarb. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz, 2008

[5] Gotlib, David; Appelle, Stuart; Rodeghier, Mark; Flamburis, Georgia: Ethics Code for Investigation and Treatment of the Abduction Experience. In: Journal of UFO Studies 5 (1994), S. 55–82

[6] Hynek, J. Allen: The UFO Experience: A Scientific Inquiry. Chicago: Henry Regnery, 1972, S. 26. (»[…] the reported perception of an object or light seen in the sky or upon the land the appearance, trajectory, and general dynamic and luminescent behavior of which do not suggest a logical, conventional explanation and which is not only mystifying to the original percipients but remains unidentified after close scrutiny of all available evidence by persons who are technically capable of making a common sense identification, if one is possible.«)

[7] Ickinger, Jochen: Einsatz von »Lügendetektoren« bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung. In: Journal für UFO-Forschung 32 (2011), Nr. 5, S. 144–148

[8] Martin, Michael: Defining »UFO«. In: Zetetic Scholar 4 (1982), Nr. 9, S. 84–89.

[9] Max-Planck-Gesellschaft (Hrsg.): Verantwortliches Handeln in der Wissenschaft: Verhaltensregeln für gute wissenschaftliche Praxis – Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten. 24. Juni 2021.

[10] Parapsychological Association (Hrsg.): Ethical and Professional Standards for Parapsychologists: Aspiration Guidelines. Januar 2005.

[11] Revenstorf, Dirk et al.: Expertise zur Beurteilung der wissenschaftlichen Evidenz des Psychotherapieverfahrens Hypnotherapie. In: Hypnose 1 (2006), Nr. 1+2, S. 1–206.

[12] Truzzi, Marcello: The Perspective of Anomalistics. In: Williams, William F. (Hrsg.): Encyclopedia of Pseudoscience. New York, NY: Facts on File, 2000, S. xxiii-xxvi.

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